PASSION

Text: Peter Kraml

Import - Export. 

Die Wucht[1] des Seins und so die Position zur Natur als einen Diskurs verstehen. Die Wucht, das bedeutet die Ungefälligkeit, die Herausforderung, das Mahnen gleichermaßen, wie die Ungeschicklichkeit und daraus resultierende Lüge. Keine Lügengeschichte, - nur nicht, als ob (-etwas geworfen wird).

Zum Beispiel: Die Misteln in ihrer volkstümlichen Bedeutung zum Kunstteil erhoben werden, - das Rot über ein Blau gerinnt und gelbe Streifen (also zufällig geronnen) eingesetzt sind, aber alles ist ganz anders. 

Peter Assmanns Bild ist Zeichnung durch die Schriftgeste, Malerei durch den Untergrund und verweist gleichzeitig auf die Traurigkeit der Mistel, die als Objekt in das Bild eingebracht wurde. (Sie wurde in das Bild abgehängt.) Die Geste des Künstlers, die über den imaginären Bildrahmen, über die Mauern seiner seelischen "Eigenarten" hinausreicht und dies durch die in die Bild-Vierung ("als ob" der Vierung des gotischen Kirchenraums ein Platz zugewiesen wäre) hereingenommene Pflanze aufgezeigt wird, verweist vordergründig auf den Stellenwert des Anliegens.

Ein Blumenstrauß aus der Vergangenheit ist ein Erinnerungsstück, weil er ein getrockneter Mistelzweig ist. Das Bild ist ein Stilleben. Es ist aber ein getäuschtes Stilleben, weil es den Betrachter zu belügen versucht. Was aber ist seine Lügengeschichte, importiert in die Ungleichzeitigkeit des Seins und des Darstellbaren. Das Bild als Erinnerung eine Künstlichkeit vermittelt, demgegenüber der Mistelzweig gelebt hat, - ursächlich[2].

Das ist das unbizarre Faktum in der Betrachtung, wozu sich die Fragestellung aufdrängt: Warum die Geste die Pflanze ist. Ist die Geste zum Betrachter gewendet, und warum musste es diese "bestimmte" Pflanze sein. Hätte sie sich nicht auch verwandeln können? (Ohne des künstlerischen Eindrucks.)

Denn immerhin gibt es durch die Pflanze ein Verstehen auf (: auf etwas hinauslaufen) reale und fiktionale Gegebenheiten, die die Bildinhaltlichkeit bestimmen könnte. (Demgegenüber das Bild wohl nur eine Fiktion ist.)

Der Mistelzweig wurde kopflings nach unten (also belügend) aufgehängt und wird daher aussagen, dass er trotz des gekappten Zustandes so lange wie möglich als Pflanze "bei Leben" gehalten wurde. Es soll wahrscheinlich/womöglich zu sehen sein, dass der abgetrennte Zweig, malträtiert, auf die abgetrennten "Beine" gehängt (- und hier wird der Pflanze eine eigene "Lebensart" zugestanden), den "Saft" verlängert in den Blattspitzen behielt und dadurch "fiktiv" (künstlich/als eine Fiktion) am Leben blieb, - aber jetzt tot ist. Im Bild wird damit Bewegung ausgedrückt. Es sollte ein bewegtes Bild sein, ist aber ein Totes geblieben.

Eine Geste des Konservierens, des unverhofften Wiederbelebungsvorgangs, oder der Negation: Und der Künstler wird als Kollaborateur gesehen. Tatsächlich bedeutet die Umkehrung der Pflanze, und in das Bild hineinragen als lebloses Objekt, die Negation. Sehr still, aber sehr nachdrücklich. Denn das nach Unten und also in den Boden zeigen, bedeutet das Sterben und den Tod. 

Insgesamt kann der Eindruck aufgebaut werden, dass die intuitive Demonstration des Bildes in der Komposition auf den Tod hin verweist und nur von der "Beschriftung: Die Zahl fünf und das in Versalien geschriebene Wort Import, "aufgehalten" wird.

Andererseits ist der Mistelzweig jedoch auch als eine Geste der ritualisierten Volkskunde (nicht Volkskultur, - da es dann zur Mode niedergedichtet wird?) zu verstehen. Das Symbol, das Zeichen das sich zu vermitteln sucht, - auch dann, wenn der Künstler dieses alles zufällig so arrangiert hat, auch wenn er unbewusst genau diesen Zweig und diesen Ort der Verkehrung heraufbeschwor, im Denken an den Betrachter und an den in die Falle der Lüge Gehenden. 

Die Leidensfähigkeit des Zweigs ist demonstrativ, das muss auch der Künstler als Konstrukteur des Bildes in Betracht gezogen haben. 

Der Mistelzweig gilt als ein Parasit gesehen wird, auf jedem Baum unter jeder Hütte. 
Ein Parasit ist nach Michel Serres etwas, das nichts einhält (also jedem Volksbrauch widerspricht), ..."er hält nicht ein mit Essen, Trinken, Schreien, Rülpsen; er hört nicht auf, tausenderlei Geräusche zu machen und den Raum mit seinem Wuchern und seinem Getöse zu erfüllen. Der Parasit ist Expansion, er läuft, er wächst. Er dringt ein und besetzt. Und plötzlich quillt er über diese Seiten hinaus. (M. Serres, "Der Parasit", Suhrkamp 1981, S. 389)

Und noch einmal: Peter Assmann lässt den Mistelzweig in das Bild hineinwachsen, verkehrt, auf den Kopf gestellt, geköpft also, also tot, leblos, als ein Fragment, eine Trophäe. Die parasitäre Pflanze wird dadurch (ungewollt, nein vorsätzlich!) zu einem außergewöhnlichen Bildzeichen, das für sich spricht oder einen "gnadenlosen"[3] Verweis auf was auch immer anzeigt.

Der Blick auf George Batailles "Tränen des Eros", ist ein Anzeigen darauf hin, wie die Leidensfähigkeit in der Kunst demonstriert werden kann: Der Mistelzweig hängt wie ein Fleischopfer (nackt, - durch die Austrockung gehäutet) der erotischen Ironien und Blendungen in den Bildrand hinein und verdrängt den Betrachter durch das Rot des Bildgrunds. [4]

Der Blick auch auf die Blutspuren des Seins, "intoniert" durch den roten Bildgrund der demonstrativ ein Bildtuch, ein Leidenstuch sein könnte, aber offensichtlich auf einen blauen Untergrund, der seinerseits das Himmlische verkörpert, verweist und eine auf die Tränen über den Eros und der Paarbildung zum Tod gesetzte Bildebene als Leidensebene "hinzeigt"[5].

Die gelben Spuren werden im Bild zu Fissuren[6] und geben der Bildablagerung den dramatischen Einschnitt in die Welt, wobei die Trennung des Eros vom Leben und die Paarung mit dem Tod gezeigt wird.

Tränen des Eros sind hier sehr viel näher an der Präzisierung des Bildes, des Objekts, als das Denken daran, dass der Mistelzweig gleichzeitig ein kompositorischer Effekt ist. 

Georges Bataille schreibt im zu zitierenden Buch: "Übersehen wird heutzutage gern die Tatsache, dass die Erotik eine wahnsinnige Welt ist und dass ihre ätherischen Formen nur eine dünne Schicht über infernalischen[7] Abgründen bilden." (G.B. "Tränen des Eros, Matthes & Seitz, München, 1981, S. 73) Das Erotische angesprochen kann in keiner Kunst ausgelagert werden.

Die Zahl "Fünf", das Wort "Import" und daher auch die Betitelung des Bildes, sollten einen Aufschluss über das Bild geben, - tun dies jedoch nicht, nicht in dem Ausmaß als es vorweg den Eindruck auslösen wollte. Objektiv wird nicht jedem Bildbetrachter einsichtig, dass die Fünf, eine magische Zahl sein könnte, aber was ist gewiss und die Zahl kann dennoch eine magische Sphäre erreichen, kann überhöht werden; - gelegentlich auch in seiner Position neu angefasst[8] werden. Schließlich geht es im Bild nicht um die Spiritualisierung von religiösen Perspektiven; es sei denn, der Mistelzweig sollte eine volkskundliche Aura aufgestülpt (aufgepfropft) bekommen.

Die Gewissheit, die logische Folgerung, könnte als Geste rationaler Erkenntnis heraufbeschworen werden. 

Fünf, als eines von den 10 oder einhundert Träumen (Traum als Gebot) - oder Verboten, ein Hindeuten auf Gesetzmäßigkeiten in der Kunst in der Botanik? Aber was sollte das auch: Der Künstler scheint den Betrachter aus einer Art Laune heraus in die Irre führen zu wollen. Die Verzweigungen der Pflanze als ein weiterhin verzweigendes Nachsinnen zur Zahl Fünf bedenken, was als Idee "importiert" (einverleibt, also entleibt und der Leibeswürde enthoben importiert und auf das Bild gebracht) wurde. Das ist ein spielerisches Denken an die Kunst und wie sie sein könnte.

Aber dennoch wird diese vorsichtig hin gelehnte, etwas beiläufig und eigentlich unmotivierte Zahl 5 den Betrachter immer wieder beschäftigen. Der Bildbetrachter wird sich als Interpret, als vielleicht sogar Regisseur an die Rampe des Bildes stellen und der Lüge des Künstlers nacheilen wollen. Wahrscheinlich will er sie einholen, will die Geste als eine Lebenslüge diffamieren. Wenigstens aber will er versuchen, Vergleiche zu anderen Bildern, die er in seinem Repertoire des Schauens und Erfahrens in einer Art "Botanisiertrommel" hortet, anstellen.

Bei der Bedeutungsfindung zur Zahl fünf wird der Betrachter allerdings nicht ausgesprochen (nicht spruchreif/stimmhaft) fündig. Symbolisch[9] gesehen ist sie, gegenüber der Zahl vier eher unbedeutend, auch gegenüber der sechs. Symbolisch-weltlich betrachtet, sind wir das fünfte Anhängsel einer alltagsüblichen Geschichte, einer Kolonne, und es gibt fünf sinnliche Wahrnehmungsformen. Alles eigentlich unbrauchbare "Einfälle" (unimportabel)(so wie Ideen in den Kopf einfallen, oder der Betrachter über eine bestimmte Zahl unvorbereiteter Vorschläge in seinem Assoziierregister bereit hat. Ob auch ein religiöser. bzw. esoterischer Zugang eine Fundgrube (eher eine Fallgrube) darstellen könnte bleibt ebenso offen; - genauso im Verweis auf die 5 Bücher Moses, dem Pentagramm, dem "Drudenfuss", wobei im letzteren zumindest eine Symbolisierung eines bösen Zaubers, als Zugangsdenken vorhanden sein könnte.

Vielmehr ist aber ein ganz anderer "leichtfüßiger" (tönerner, - und einen Ton von sich gebender) Zugang zu dieser Zahl und damit auch zur Fünf, in der Bedeutungsfindung durch den Zusammenhang mit dem "Er-Zählen" gegeben und bringt den Betrachter auf eine Bildspur (so als sollte eine Lebenslinie vom Mistelzweig ausgehend gefunden werden).

Denn was erzählt mir das Bild, - welchen Zauber[10], welche Lüge kann es mir "auftischen", auf den Gabentisch legen und wie ist es als solches zu verstehen, unabhängig seiner formalen Strukturen. Auch wenn das einmal stumme Bild nichts redet, so bezeigt es mir vielleicht durch Gesten einen Tatort.

Die Strukturen sind offen vorgelegt. Ein Bildgrund, die vorherrschende Tönung, die Risse sind Konstruktionslinien oder zufällig entstanden, oder es wurde ihnen vielleicht wie zufällig-gezielt nachgeholfen. Mit dem an einer Hand die Geschichte von etwas nachzählen, nacherzählen von dem was gesehen wurde, in der Eintracht mit der Bildfläche. 
Das ist etwas geschehen.

Womöglich hätte Peter Assmann versuchen können ein mehrteiliges Zahlenspiel zu initiieren, um sich nicht in einem allzu freien Gedankenspiel zu verheddern. Was wäre gewesen, wenn er mit der Zahl 2 (?) begonnen hätte um nicht dem Irrwitz der "Eins" auf "die Fläche zu gehen". Um nicht das Bild mit der Fünf zu überkleben (Palimsest. – weil wi(e)der Inhalte überdeckt werden.

Denn wer beginnt nicht auch immer damit, bei Eins zu beginnen und bei Null zu enden. Null = 0. Das Ausbrechen aus der Norm bedingt die Kunst und ihre Formation gegen Alles und das was die Gesellschaft ist. In diesem Umfeld des "Erdenkens" geschieht die Erzählung, das Motiv der Märchen.

Die Fünf ist mit welcher Hand auch immer fragmentarisch aufgeschrieben, sie erzählt in ihrer Lügenhaftigkeit dem Bild gegenüber nur einen Teil. Nicht das Ganze, lässt Nachdenkenswertes über. 

Die Erzählung bedingt das Nachdenken über die Fünf und so ist das Zahlenspiel die Erzählung von was auch immer. 

Nicht, dass eine Landschaft vermessen wird um also mit einer gebrochenen, verwitterten Fünf das Bild, das eine bedeutende Fläche ist, zu beschreiben. 

Die Erzählung, der Anfang des Märchens beginnt gewöhnlich mit einem Tränenausbruch. Das Begehren nach der Geschichte, nach einer "Story" (als Kurzgeschichte, mit einem Vorspann der als Hinweis auf die Protagonisten gelten kann) kann mit dieser Zahl (weil es diese seine muss) beginnen. Der Tränenausbruch ist das auf das Märchen aufmerksam machen. Ich weine, also will ich dir etwas erzählen, ein Märchen, damit du weißt, dass es spannend und gleichzeitig traurig werden wird. Also sage ich fünf und weine und lüge dabei.

Beim genaueren Betrachten der Zahl (also beim Anvisieren) zeigt sich ein Anstrich und dann ein Schwung nach unten. Das bedeutet, dass der Zahlenkopf fehlt. Die Betonung der Schrift liegt im unteren Bereich der Linie. Die Fünf wird üblich (gewöhnlich, nicht besonders hervortretend), und das zeigt die Strichführung, mit einem Anstrich[11] nach unten begonnen, die waagrechte Linie, die der Zahl die Eigenheit gibt, wird zuletzt aufgesetzt und ist in diesem Fall gebrochen, - also nicht eindeutig. Die Erkenntnis des Betrachters macht es ihm möglich die Fünf als solche zu begreifen.

Die Lüge zieht sich auf das zurück, wohin sie gehört und wodurch sie auch stattfindet. Es könnte eine Fünf "sein" (als das Sein), ist aber trotzdem diese Fünf. Das Vage in der Kunst und im Künstlerischen kann einer Unbeholfenheit entsprechen oder ist Kalkül. Die kalkulierte Kunst bedingt eine "folgerichtige" Kunst.

Der Betrachter beginnt damit, diese grafische Konstruktion als eine Besonderheit im Schriftzug zu legitimieren. Der Künstler, und hier erlebt der Betrachter den Künstler als unsicher, hat diese waagrechte Linie nicht korrigiert. War also Peter Assmann in diesem Augenblick unkonzentriert, war er nicht für sich (hat er nicht auf sich gezählt), dass die Zahl eine Notwendigkeit hat/ist und ein Urkörper im Bild sein sollte. Hat er das im Gefecht gegen sich, vergessen? Die Handschrift des Künstlers widerspiegelt, aber wiederholt nicht, das was er denkt, oder glaubt, es davon zu tun. Schließlich versteht es ich als Instrument. 

In anderen Darstellungen und kalligrafischen Expeditionen sind ähnliche Formenbezüge[12] zu finden. Nicht dass die Zahl das ist, was sie vorgibt zu sein: Die Fünf ist eine logische Folgerung aus der "Vier" und der Hinweis, dass es auch eine Sechs geben könnte. Muss es aber nicht sein, denn wozu brauchen wir in der Darstellung eine sechste (6) Zahl oder eine Sechs.

Das kann an allen fünf Fingern, an allen fünf Zehen, an fünf Geboten Gottes abgezählt werden. Zum Letzteren wäre noch hinzuzufügen, dass sich Peter Assmann durchaus tradierten Denkstrukturen zufolge zwanghaft vielleicht und unbewusst, mit christlichen Sinnstiftungen beschäftigt, sich allerdings in diesem Bild keine wie auch immer geartete "Blöße" in diese Richtung gibt. Es kann ihm kein religiöser Zwang unterstellt werden.





Also muss die fiktive "Seinsfrage" zur Fünf noch erläutert werden.

Wird dem Schriftzug gefolgt, setzt sich der Künstler differenzierter voreingenommen und vorbehaltlich eines bestimmten literarischen Stils, immer wieder experimentell mit der Sprache auseinander. Es handelt sich um eine laborartige Zugangsweise zur Schrift (Labor). Gefragt ist ein Einfall, für die Erzählung, die die Lügengeschichte aufklären könnte; - eine Geschichte, endlich eine Geschichte.

"Bilder sind, zum Ärger des Alltagsverstandes, immer Kreationen des Betrachters, die durch bestimmte Objekte – meistens durch "Bilder" – evoziert werden." (Reinhard Brandt, "Die Wirklichkeit des Bildes", Hanser, 1999, S. 94) Also doch keine Er-Zählung(en)?.

Auf der Suche nach dem Bildstück (nach dem Ausschnitt, nach dem Ganzen, davon), nach der Bildstruktur kommt der Betrachter jedoch unweigerlich auf die "Risse", die "Gräben" im Bild. Grundsätzlich nichts Ungewöhnliches und so wird nachzufragen sein, warum diese beiden hellen, gelblich "unwegsamen" Streifen, Wege (Pfade, Erdfissuren) sind, die sich in sich bezeichnen und wohingegen der Betrachter mit beteuernder Nachsicht auf das Bild schauen könnte. Dennoch ergibt sich etwas, was für das Bild bezeichnend wird: Es geben diese beiden Risse und die noch weiter im Rot befindlichen Schriftspuren der gesamten Bildfläche die Aura, - diese ist nicht notwendig sagbar, da sie erhaben ist (durch die Übermalung übergeordnet erhaben, also formal zu sehen) und im Sinn des Geheimnisses erhaben (erhaben im Sinn des Erhabenen) bleibt, und im Sinn des Erzählens (Zahl - zählen) für sich steht. Wenn das Bild auratisch ist, ist es erhaben und also Kunst.

Auch wenn das Wort Geheimnis gleichzeitig den Inhalt vermittelt, nämlich dass man (wer auch immer) sich vor etwas ängstlich[13]distanzieren möchte, dann ist bis "fünf" an der Hand zu zählen und die Hand ist der Akt der Bewegung im Bild und der Strich, der die Fünf legitimiert.

So und nun wird der obere linke Bildrand genauer zu betrachten sein. Das Blau wurde mit Buchstaben mit weißer Kreide(?) beschriftet, die ihrerseits durch das Rot übermalt (überschüttet) wurden. Der Künstler scheint an diesem Ort zumindest eine ganz andere Bildinhaltlichkeit vor gehabt zu haben. Eine Vorstellung die nicht unwichtig deswegen zu sein scheint, weil anlasshaft das Bild zu machen, wahrscheinlich anfänglich, auf alle Fälle aber nach einer gewissen Zeit, einen anderen Verlauf genommen hat. Das heißt, noch ehe der Bildinhalt fixiert wurde und aber das Bild bereits im Entstehen war, ist alles Relevante weg geschoben worden, - als eine zu verwerfende Idee.

Nicht unüblich, aber doch nicht unerwähnt zur Beschreibung, denn somit relativiert sich der dann abgeschlossene Bildzustand als ein Zustand der offen ist. Es könnte im Bild alles das stattgefunden haben was als Meditationsübung vernichtet wurde. 

Ist er offen für den Betrachter, oder ist das Bild nicht auch ein Fragment seiner selbst, da der Künstler unentschlossen blieb, um sämtliche Spuren einer möglichen Fallenstellung zu verwischen. Ist es nicht doch die Übung des Betrachters sich auch formal an der Bildgestaltung zu beteiligen und etwas in seiner Beschreibung zu sehen, was in der Wirklichkeit nicht ist.

Der Künstler erzählt mir in diesem Fall wahrscheinlich etwas ganz anderes als was ist, oder was nicht ist. 

Die Buchstabenreihe beginnt mit A und B und hätte vielleicht der Beginn des Alphabets sein sollen, - wie im Erlernen von Buchstaben von Beginn an und von der Kunstwerdung an. (Oder das Denken von A nach B, von B nach C, von C nach irgendwohin und zurück zu gelten hat.) Wollte Peter Assmann dies, in seinem Familiennamen, der mit dem A beginnt und auch das folgen lassen könnte, was als Bild zur Geltung finden kann. Ist er dieses Risiko eingegangen ein Bild zu diffamieren um es werden zu lassen? 

Aber er wollte etwas Neues, er wollte von seinem anlasshaften Bildthema abgehen. 

Verstärkt wird der Eindruck dadurch, dass gerade die rote Untergrundfarbe, die ihrerseits allerdings bereits eine Art von Übermalung ist, etwas frei lässt, was auf einen ganz anderen Bildinhalt schließen ließe, würde der Bildinhalt aufgehoben werden.

Überhaupt ist der Betrachtungsansatz (als ein Satz in der Theorie), dass es sich um eine Übermalung der Übermalung handeln könnte nicht uninteressant, weil diese Vorgehensweise an vielen seiner Arbeiten (aus dieser Zeit?) "anzulesen" ist.

Die Buchstabenschrift legitimiert sich in der Weise, als sie von der bildnerischen Tätigkeit überarbeitet wird und das Schauen im Bild von der Buchstabenschrift, also vom Import, zum Export der Schreibschrift geleitet wird. [14]

Die Verhüllungen im Bild werden in anderen Arbeiten wiederkehren. 
Wie immer alles wieder kommt und geht. 
Ein: Bildkommen und Ein: Bildgehen. 
 

[1] Wucht: Etwas das geworfen wird und damit in Verbindung gebracht werden könnte. Etwas Wuchtiges, das sich mit einer Wucht gegen den Betrachter stemmt und stürzt. Das auf die Bildfläche, mit einer gewissen Wucht werfen und etwas sagen, etwas bildlich sagen und darüber also schreiben als wäre etwas wichtiges, eine Wucht gewesen.

[2] Die Ursache von was auch immer. Immer fragt es sich nach dem Ursächlichen im Suchen nach der Sache auf der Flächen, - nicht nach dem Ding. Ursächlich ist alles das was von Grund auf gewachsen ist und die Ursache gehabt hat.

[3] Die Gnade der Unvereinbarkeit. Die Gnadenlosigkeit ist die Unvereinbarkeit mit was auch immer, mit der Bildfläche genauso, als mit dem thematischen Umgang. Hier wird die Gnade nicht umgangen, sondern der Umgang mit der Gnade ist unabdingbar. Die Wortbedeutung, die Inhaltlichkeit verkehrt sich dabei plötzlich und wird zur gnadenlosen Gnade.

[4] In der gegenwärtigen Kunst in Österreich und dem Verständnis und Verhältnis dazu, die Grundfarbe Rot sehr wesentlich von Hermann Nitsch und insbesondere von den Wiener Aktionisten (auch in der Schwarz/Weiß – Dokumentation) besetzt gehalten wird.

[5] - hinzeigen: objekthaft verstanden: ein Finger auf etwas hinzeigt. In Wirklichkeit der Zeigefinger aber auf etwas verweist, was verwaist ist. Der Finger also auf einen verwaisten Mistelzweig zeigt und daraufhin auf etwas zeigt, was sein Versprechen nicht hält. Das Versprechen in der Kunst, eine Lüge ist und auf diese Aufbauend, auf etwas verwiesen ist, das es nicht gibt aber trotzdem bezeichnet ist.

[6] Die Fissuren sind Gräben, vielmehr aber auch Risse in der Haut, in einem also weichen, zwar flexiblen, gelegentlich transparenten Material, aber eben Schnitte, die aufgerissen sind und schmerzhaft sind. Furchen, über die die Finger gleiten/streichen, und deren feedback unangenehm ist. Fissuren in dieser Gesellschaft sind Risse in der Fläche, im Bild, die nicht mehr "widerkehren".

[7] Das Inferiore, welches sich aus dem Infernalischen heraus entwickelt, wie auch immer. Das Inferiore ist final zu denken, entspricht einem Enddenken und gleichzeitigem Entdecken und endet in der Entdeckung. Der sprachliche Irrwitz, das literarisierende hier inferior betrieben wird um dem Bild, dem Bildinhalt wenigstens zu umkreisen und einen Anlass zu finden, wenngleich es nie einen Anlass für eine buchstäbliche Bilddarstellung geben wird können, es sei denn, dass der Künstler selber, intuitiv in einen Setzkasten greift um das Alphabet zu thematisieren.

[8] Hingezeigt ist hier das Angegriffene, der Angriff. – oder auch etwas aufgreifen: Also die 5 aufgegriffen/angefasst wurde, nachdem sie verloren gegangen ist.

[9] Das Symbolische ist das Stellvertretende in der Kunst, - mitunter, oder die Kunst ist immer symbolisch, stellvertretend für was auch immer. Die Kunst als etwas Gelebtes, wenn es auch als in die Gesellschaft integriert verstanden wird, akzeptieren. Symbolisch hat aber gleichzeitig doch etwas distanzierendes, in das sich die Wertigkeit des Geheimnisses hineingeheimnist.

[10] Der Zauber wird immer eine Lüge sein, wenn die Lüge durch einen Zauber im symbolischen Gehabe aufgetaucht ist.

[11] Anstrich: Nicht etwas ausstreichen,, oder doch: An etwas auflaufen, - hinauflaufen. Der Anstrich, also der Auftragen von Farbe ist "fast" ein Punkt.

[12] Die Zahl ist sa. nicht ein Ordnungsbegriff sondern nimmt eine formale Position ein. Sie ist eine Huldigung, - an fünfter Stelle – an das sich anbahnende Ergebnis und ist also eine Diskursrichtlinie zum Untergrund. Die Fünf ist daher nicht die Fünf, sie negiert sich, will sie nicht einen Wert der Bildfunktion anzeigen. Dennoch muss danach gefragt werden, ob die fünf nicht doch die Zahl ist.

[13] Ängstlichkeit: nicht nach Kierkegaard, vielmehr die Erkenntnis, dass in der Bedrängung durch Bilder eine Abwehr entsteht, die sich in einer Art artifizieller Todesangst ausdrückt, weil die Bedrängung von Außen radikal ist. Die Bedrängung durch das Alphabet.

[14] ... oder angestiftet wird, um sich ausstiften zu lassen. Die Anstiftung durch den Zeichenstift also der Stift und die Anstiftung wird, - oder auch dazu verleitet wird.